Wien: Theologiestudenten üben sich im interreligiösen Dialog
Katholische, evangelische, orthodoxe, jüdische und muslimische Theologiestudierende haben sich dieser Tage in Wien mit einer in Cambridge entwickelten Methode des interreligiösen Dialogs zur Auslegung der Heiligen Schriften der monotheistischen Religionen auseinandergesetz. Der internationaler Workshop zum Thema "Scriptural Reasoning" ging am Freitag an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien zu Ende. Die teilnehmenden Studenten kamen aus Österreich, Ungarn und Deutschland.
"Scriptural Reasoning" ist eine Methode des interreligiösen Dialogs zur Auslegung der Heiligen Schriften der monotheistischen Religionen. Der Workshop geht auf "Cafe Abraham" zurück, eine gemeinsame Initiative von Studierenden der Katholisch-Theologischen Fakultät, der Evangelisch-Theologischen Fakultät, der Judaistik und der Islamischen Religionspädagogik unter dem Namen SIRD ("Students for InterReligious Dialogue").
Das Institut für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät fungierte als Gastgeber für den Workshop, die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak ist die Mentorin der Initiative. Als Kooperationspartner wirkte auch der "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit" mit; ermöglicht wurde das Zustandekommen des Workshops durch die Kardinal-König-Stiftung, die im Juni 2017 den fünf jungen Theologinnen der Kerngruppe von SIRD den damals erstmals verliehenen Kardinal-König-Förderungspreis zuerkannt hatte. Im November 2018 förderte die Kardinal-König-Stiftung neuerlich die interreligiöse Initiative. Prof. Daniel Weiss (Cambridge) führte beim Workshop in die Methodologie von "Scriptural Reasoning" ein, Clarissa Breu (Evangelisch-Theologische Fakultät) und Amena Shakir (Sigmund Freud-Universität) referierten über die christliche bzw. die islamische Schriftauslegung.
Ein Anliegen Kardinal Königs
Die Generalsekretärin der Kardinal-König-Stiftung und Leiterin des Kardinal-König-Archivs, Annemarie Fenzl, erinnerte in einem Grußwort an die Teilnehmer daran, dass der interreligiöse Dialog dem Kardinal Zeit seines Lebens ein großes Anliegen war. Sein wissenschaftliches Interesse für die Weltreligionen, das in seinem 1956 herausgegebenen dreibändigen religionswissenschaftlichen Standardwerk "Christus und die Religionen der Erde" einen Höhepunkt fand, habe Kardinal König immer wieder auch in die Praxis umgesetzt. Fenzl verwies darauf, dass der Kardinal u.a. im Frühjahr 1965 - noch während des Zweiten Vatikanischen Konzils - als erster christlicher Kleriker vor Studenten und Professoren der islamischen Al Azhar-Universität in Kairo über den "Monotheismus in der Welt von heute" referierte. "Nur der eine Gott kann das Ziel des menschlichen Lebens sein", sagte der Kardinal damals vor dem islamischen Auditorium.
Wörtlich betonte Annemarie Fenzl: "Die Begegnung der Religionen in unserer so zerrissenen und zugleich doch auch immer mehr einswerdenden Welt bringt neue Aufgaben, aber auch neue Probleme mit sich. Eine solche Begegnung wird nur dann in der rechten Weise erfolgen, wenn mit der jeweils eigenen Überzeugung der Respekt für den Standort und die Überzeugung des anderen verbunden ist".
"Scriptural Reasoning" ist eine Methode, bei der die Teilnehmenden durch gemeinsames Lesen eines religiösen Textes miteinander ins Gespräch kommen und zentrale Aussagen des Texte miteinander reflektieren und diskutieren - am besten auf "neutralem Boden", daher die Idee des "Cafe Abraham". Die Methode läuft darauf hinaus, dass Juden, Christen und Muslime in einer Weise gemeinsam studieren, reflektieren und arbeiten können, die die eigene religiöse Integrität nicht beeinträchtigt und die Integrität des jeweils anderen respektiert. Das Ziel ist nicht Übereinstimmung, sondern vielmehr Wachstum im wechselseitigen Verständnis der Traditionen und tiefere Erforschung der religiösen Texte und ihrer möglichen Interpretationen.
Quelle: Kathpress