Kardinal König und der Kalte Krieg: Narrative Einblicke
Wenn man in Österreich eine Konferenz zu Kirche, Religion und dem Kalten Krieg veranstaltet, kann und darf Kardinal König nicht fehlen, der in vielerlei Weise Pionierarbeit leistete. Er tat dies äußerst diskret und persönlich zurückhaltend – wie ich aus meinen persönlichen Begegnungen mit ihm, wo ich ihm auch gelegentlich in seiner Arbeit unterstützen durfte, wie auch mittlerweile durch Arbeiten im Kardinal-König-Archiv in Wien weiß.
Kardinal König war als Religionswissenschaftler von seinen Interessen und seiner Offenheit gleichsam natürlich am Anderen interessiert. Daraus ergaben sich wie von selbst die Themenfelder europäischer Osten, orthodoxe und orientalische Kirchen, ökumenischer Dialog, Dialog mit Nicht-Glaubenden, interreligiöser Dialog und plurale Kontexte.
Hier in Salzburg wurde Franz König 1948 Professor an der Theologische Fakultät Salzburg und lehrte nebenbei am erzbischöflichen Knabenseminar Borromäum Englisch, bevor er 1952 zum Bischofskoadjutor in St. Pölten und 1956 zum Erzbischof von Wien ernannt wurde. Hier erarbeitete König auch den Großteil seines wissenschaftlichen Hauptwerks, das dreibändige Handbuch „Christus und die Religionen der Erde“. Seine religionsgeschichtliche wissenschaftliche Tätigkeit führte zum Ruf auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaft an die Universität Münster. Warum die Berufung nicht zustande kam, sagt König in seiner Dankensrede anlässlich der Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Wien 1963 selbst, und das klingt fast in wenig wehmütig:
„Eine Berufung an die Universität Münster in Westfahlen als Nachfolger von Prof. Steffes verhinderte meine fast gleichzeitige Ernennung zum Bischofs-Koadjutor von St. Pölten im Sommer 1952. Einem neuerlichen Versuch der Universität von Münster, mich als Weihbischof nach Münster zu transferieren, um damit wenigstens teilweise meiner akademischen Berufung nachkommen zu können, brachte Pius XII. – begreiflicherweise – wenig Verständnis entgegen.“ (1)
Dass man beim Religionswissenschaftler Franz König das Thema Kirchen/Religion und Kalter Krieg hoch reflektiert und analytisch vorgehen kann, ist evident. Ich wähle aber einen narrativen Zugang. Damit kommt nämlich auch eine andere Komponente zu tragen: Denn wir brauchen selbstverständlich „Think-Tanks“, aber manchmal ist es auch gut „Do-Tanks“ zu haben. Kardinal König ergriff wiederholt gleichsam furchtlos Initiative. Einges ergab sich aber auch aus der spezifischen Situation, dass er Erzbischof von Wien wurde, jener Stadt im Westen, die dem Osten am nächsten stand – historisch wie geographisch.
Begegnung am Eisernen Vorhang
Am 7. Mai 1957 wurde Erzbischof Franz König um die Mittagszeit von der österreichischen Grenzpolizei benachrichtigt, dass der polnische Primas Stefan Wyszynski soeben mit dem Zug die tschechisch-österreichische Grenze überquert habe und auf dem Weg nach Wien wäre. Bereits 1953 war dieser zum Kardinal ernannt worden, konnte aber aufgrund seiner dreijährigen Inhaftierung durch die kommunistischen Behörden nie offiziell in das Kardinalskollegium aufgenommen werden. Da er, in einer Zeit des Höhepunkts des Kalten Krieges und der Unterdrückung der Kirche im kommunistischen europäischen Osten, in Wien wohl von einer großen Schar von Journalisten und Neugierigen umringt werden würde, fuhr Franz König kurzerhand per Auto der tschechoslowakischen Grenze entgegen und bestieg in Gänserndorf den Zug um den polnischen Kardinal zu treffen. König kannte Wyszynski zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich und stellte sich deshalb vor. Er beschrieb den polnischen Primas als blass und mit großen fragenden Augen. Als er vom vermutlichen Auflauf internationaler Journalisten auf dem Wiener Bahnhof hörte, nahm er dankbar das Angebot Königs wahr, mit dem Auto die Reise fortzusetzen.
Später hatte Franz König auch erfahren, dass Wyszynski noch wenige Tage vor seiner Abfahrt stundenlang vom Generalsekretär der polnischen kommunistischen Partei, General Wladyslaw Gomulka, für die Audienz bei Papst Pius XII. bearbeitet worden war. Die Einflussnahme blieb aber vergeblich und Kardinal Wyszynski standhaft. Es erschien König wie ein Wunder, dass der Primas von Polen, zu einer Zeit wo es noch undenkbar erschien, mit dem Zug durch den Eisernen Vorhang hindurchfuhr.
„Wyszynski und ich haben anfangs nicht viel gesprochen auf unserem Weg nach Wien, aber wenn, dann Italienisch. Äußerlich gefasst, aber sehr in sich gekehrt, blickte mein Gast immer wieder aus dem Fenster: Ich hatte den Eindruck, dass seine Gedanken noch in Warschau bei seiner verfolgten polnischen Kirche waren. … Noch ein wenig in Gedanken verloren, fragte er plötzlich: ‚Was meinen Sie, hat wohl der liebe Gott mit uns vor? Wie sieht er die Zukunft der Kirche in den kommunistischen Ländern? Wohin führt der Weg, und werden wir das Licht am Ende des Tunnels sehen können?‘ … Rückblickend bin ich überzeugt, dass diese erste Begegnung zwischen mir und dem polnischen Primas in Österreich sicher auch ein Signal für den Vatikan war. Wyszynski war ein Pionier. Lange bevor der Vatikan sich entschloss, Kontakte zu Osteuropa aufzunehmen, begann er einen Dialog mit dem polnischen Regime und setzte so ein erstes Zeichen für eine Kursänderung in der Ostpolitik des Vatikans.“ (i)
Diese Kursänderung fand aber erst mit Papst Johannes XXIII. statt, der persönliche Erfahrungen mit Osteuropa hatte. Und es war Johannes XXIII. der Kardinal König intensiv zuredete, mit der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang Kontakt aufzunehmen.
Kardinal Königs Schlüsselerlebnis vor Varazdin
Diese Verantwortung der Kirche Österreichs und insbesondere der Erzdiözese Wien für den europäischen Osten und die Kirchen hinter dem Eisernen Vorhang wurde Franz König durch einen Autounfall, den er schwer verletzt überlebte, bewusst. Immer wieder erzählte er davon, wie ihn dieses Ereignis prägte.
Im Februar 1960 starb der Erzbischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, der ein Studienkollege Königs im Germanikum gewesen war. 1946 war Stepinac in einem politischen Schauprozess der kommunistischen Regierung Jugoslawiens der Unterstützung des kroatischen faschistischen Ustascha-Regimes beschuldigt und zu 16 Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt worden. Nach sechs Jahren Kerkerhaft wurde er unter Hausarrest mit ständiger polizeilicher Beobachtung gestellt, der bis zu seinem Tode bestand. Sowohl in alter Verbundenheit als auch auf Grund der historischen Verbindung zwischen Wien und Kroatien wollte König an dessen Begräbnis teilnehmen, dachte aber, sein Visumsantrag werde wohl gerade für einen katholischen Bischof abschlägig behandelt werden. König war überrascht, als ihn die jugoslawische Botschaft informierte, er bekäme ein Einreisevisum.
So brach er mit Chauffeur und seinem damaligen Zeremoniär Helmut Krätzl, dem späteren Weihbischof von Wien, am 12. Februar auf, nächtigte in Graz und konnte in den frühen Morgenstunden problemlos die jugoslawische Grenze passieren. Bei dichtem Nebel und Glatteis musste die Fahrt fortgesetzt werden. In der Nähe von Varazdin kam es zu einem schweren Verkehrsunfall. Bei einem Überholmanöver krachte das Auto der Erzdiözese in einen Lastwagen. Der Fahrer starb noch an der Unfallstelle, König und Krätzl lagen schwer verletzt und bewusstlos auf der Rückbank. Ein zufällig vorbeikommender Gemeindearzt leistete sofort Erste Hilfe. Eine Woche später konnten die beiden Schwerverletzten mit einem Flugzeug nach Wien transportiert werden, wo sie noch drei Monate lang gepflegt wurden und mehrere Operationen zu überstehen hatten. Von seinen Tagen im Krankenhaus von Varazdin erzählte König:
„In meinem Krankenzimmer konnte ich in den folgenden Tagen als einzigen Schmuck der weißen Zimmerwände das bekannte Foto des [kommunistischen Staatschefs] Marschall Tito betrachten. Damals kam mir der Gedanke: Was hat dieser Unfall wohl in meinem Leben zu bedeuten? Auf meinem Krankenlager tauchte der Gedanke auf, der mein späteres Leben in etwa mitbestimmte: Der Erzbischof von Wien soll sich ein wenig jenseits der östlichen Grenzen um verfolgte Bischöfe und Diözesen kümmern. Dieser Gedanke verfolgte mich immer wieder in meinen späteren Lebensjahren. Und was dann geschah, war vielleicht auch von jenem Krankenhausaufenthalt mitbestimmt.“ (ii)
Für Kardinal König wurde der Osten tatsächlich zu einem bestimmenden Faktor in seinem Wirken und dies auf verschiedenen Ebenen. In diesem Zusammenhang – aber auch aufgrund seiner im Wissensdurst nach anderen Religionen und Kulturen gewachsenen wissenschaftlichen Ausbildung als Religionswissenschaftler (iii), die ihn in ungewöhnlichem Maße über den damaligen Horizont des Katholischen hinausblicken lies – ist sein Engagement für die Religionsfreiheit, für die Nicht-Glaubenden und die Ökumene, insbesondere mit den Ostkirchen, zu sehen.
„Was soll daran schwierig sein?“
Im Jahr 1956, während des ungarischen Volksaufstands gegen die Regierung der kommunistischen Partei und der sowjetischen Besatzungsmacht, der durch die Invasion der Roten Armee beendet wurde, musste Kardinal József Mindszenty, eine Symbolfigur des Widerstands, in die US-Botschaft von Budapest flüchten. Der Primas der ungarischen katholischen Kirche lebte dort seither völlig isoliert. Bei einer von Kardinal Königs Audienzen bei Johannes XXIII. geschah es nun, dass der Papst ihn spontan aufforderte, Kardinal Mindszenty in seinem Exil zu besuchen. Auf den Einwand Königs, dass dies nicht so einfach geschehen könnte, zumal ein römisch-katholischer Kardinal den Eisernen Vorhang zu überwinden hätte um die US-Botschaft in der Hauptstadt eines kommunistischen Landes zu betreten, gab Johannes XXIII. zur Antwort:
„Was soll daran schwierig sein? Gehen Sie auf den Wiener Bahnhof, kaufen Sie sich eine Fahrkarte nach Budapest und unternehmen Sie die Reise“. (iv)
König ist dann zwar nicht mit dem Zug, sondern mit dem Auto gefahren, aber diesem einen Male folgten viele weitere Reisen in den Osten, nach Polen, Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, in die DDR und Tschechoslowakei.
Das Treffen mit Kardinal Mindszenty machte Franz König einmal mehr deutlich, dass der Erzbischof von Wien, zur Zeit der Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang, der dem Osten nächste Bischof des Westens ist und dass er mit den verfolgten Kirchen in Osteuropa in Kontakt treten muss. Er sah es als seine Verantwortung, den Christinnen und Christen in den kommunistisch regierten Ländern, gleich welcher christlicher Konfession, zu zeigen, dass ihre Mitchristen im Westen sie nicht vergessen hatten. Der Wiener Kardinal besuchte Mindszenty von da an regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr in der amerikanischen Botschaft in Ungarn.
Der ungarische Primas war acht Jahre in den russischen Kerkern Ungarns inhaftiert gewesen bevor er fünfzehn Jahre lang in der amerikanischen Botschaft in Budapest isoliert von seiner Kirche lebte. Schließlich kam er ins Exil nach Österreich, wo er wenige Jahre später verstarb. 1975 wurde Kardinal Mindszenty vorübergehend in Mariazell beigesetzt von wo man ihn 1991, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft, nach Ungarn überführte. Bei einem Gedenkgottesdienst im Jahr 2000 sprach Kardinal König:
„Unvergeßlich bleibt mir als emeritierter Erzbischof von Wien die erste Begegnung mit dem Kardinal-Primas als isolierter Gast in der amerikanischen Botschaft. Diese Begegnung mit ihm, meine Teilnahme an seinen Sorgen und seiner Hoffnung hatte mich damals wichtige Erkenntnisse gelehrt. Mir wurde bewußt, welche Größe und welche Bedeutung der einsame Mann in der Botschaft für Kirche und Welt hatte. Mir wurde damals aber auch bewußt, welche Möglichkeiten sich für den Erzbischof von Wien ergeben, um mit den Bischöfen jenseits des Eisernen Vorhangs Verbindung aufnehmen zu sollen.“ (v)
Ökumenische Pionierleistungen: PRO ORIENTE
Der ökumenische Weitblick Kardinal Königs zeigte sich in der Gründung der Stiftung PRO ORIENTE, die sein ureigenes Instrument der Ökumenerezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Kontakts zum europäischen Osten werden sollte.
Am 4. November 1964, noch zwei Wochen bevor das Dekret für den Ökumenismus verabschiedet wurde, gründete Franz König die Stiftung PRO ORIENTE. Herangetragen wurde die Idee an den Kardinal von katholischen Intellektuellen, um das Interesse katholischer Kreise für den Osten Europas zu wecken, der politisch vollständig isoliert war und dessen orthodoxe Kirchen im Westen so gut wie unbekannt waren. Person und Bekanntheit Kardinal Königs haben von Anfang an die positive Entwicklung von PRO ORIENTE begünstigt: Einerseits sein hoher kirchlicher Rang als Kardinal, sowie sein internationales Ansehen als Religionswissenschaftler, als bedeutender Konzilsvater und als Partner im Dialog mit den Atheisten.
Wien hat sich als Ort für diese Aufgabe in mehrfacher Weise als vorteilhaft herausgestellt: Einerseits wegen der geographischen und auch politisch-neutralen Lage Österreichs und andererseits wegen der alten bestehenden Beziehungen zu Ost- und Südosteuropa sowie zur Levante. Die Stadt war jahrhundertelang Zentrum eines großen Reiches gewesen, das katholische, evangelische und orthodoxe Christen ebenso beheimatete wie Juden und Muslime. Nun war Wien aber Hauptstadt eines kleinen Landes ohne Machtansprüche, das zur Zeit der Gründung von PRO ORIENTE neutral zwischen den zwei Machtblöcken der Nato und des Warschauer Paktes, am Rande des Eisernen Vorhanges, lag.
Die ursprüngliche, im Stiftungsbrief genannte Aufgabe von PRO ORIENTE war die „Herstellung und Vertiefung der Kontakte mit dem europäischen Osten auf allen geistig relevanten Gebieten, vor allem auch zwischen Vertretern der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen“. Im Blickfeld war zunächst also nicht allein der kirchliche Bereich. Erst in den Jahren 1969 und 1971 wurde diese Fassung auf die ökumenischen Beziehungen hin modifiziert.
Kurienkardinal und Leiter des Sekretariates für die Nichtglaubenden
Im April 1965 errichtete Papst Paul VI. ein Sekretariat „per i non credendi“, das Kardinal König anvertraut wurde und dessen Leitung er bis 1980 innehatte. Kardinal Augustin Bea hatte hierfür 1963 Arbeitspapier verfasst, dass er in einer Pro-Memoria an Papst Paul VI. weiterleitete. In diesen und später verfassten Dokumenten fanden sich die Beziehungen zur kommunistischen Welt als wesentliches Argument für Gründung dieses Sekretariats für die Nichtglaubenden. Kardinal Agostino Casaroli war als Experte für Fragen der sogeannten „sozialistischen Welt“ bis zur Gründung des Sekretariats im Frühjahr 1965, eingebunden. Eine thematische Neuausrichtung bzw. Erweiterung auf die Untersuchug des Atheismus in all seinen Ausprägungen wurde durch die Diskussion um das Konzilsdekret Humane Vitae beeinflusst und von Kardinal König König betrieben. (2)
Roland Cerny-Werner schreibt dazu: „Mit der Gründung des Sekretariats für die Nichtglaubenden machte der Vatikan, dem dialogischen Prinzip des II. Vaticanums folgend, einen Schritt auf die kommunistische Welt zu und die inhaltliche Neujustierung, nicht nur staatsatheistische Systeme, sondern atheistische Strömungen im Allgemeinen in den Fokus der Betrachtungen einzubeziehen, kann als Hinweis darauf gelesen werden, dass das neu geschaffene Organ in der Römischen Kurie dem Konzilswillen entsprechen sollte.“ (3)
Kardinal König war zentral in diese Bemühungen eingebunden. Als ausgewiesener Religionswissenschaftler hätte er sich wesentlich mehr für das Sekretariat für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen interessiert.
Seine späteren Erzählungen in Interviews, wie das Gespräch zwischen ihm und Papst Paul VI., der ihm um die Leitung des Sekretariats für die Nichtglaubenden ersuchte, zeigen gleichermaßen die klassische Vereinfachung das Kardinals, der seine eigene Rolle in der Öffentlichkeit immer herunterspielte, aber umso mehr im Hintergrund agierte. König erzählte:
Vom interreligiösen Dialog „verstehe ich etwas, aber Dialog mit den Nichtglaubenden? Daher war meine Antwort zuerst: ‚Ja, Heiliger Vater, damit habe ich keine Erfahrung. Wie soll ich denn so etwas machen? Für mich ist das eine terra incognita!‘ Darauf antwortete der Papst lateinisch einfach: ‚Usus docebit.‘ Das heißt auf Deutsch so viel wie: ‚Fangen Sie einmal an, dann werden Sie schon sehen!‘ – Heute würde man sagen: ‚Learning by doing‘ Ich habe dann eben angefangen.“ (4)
Man sieht, dem Zeitzeugen Kardinal König ist nicht immer zu trauen, auch wenn das, was er sagt zunächst auch nicht falsch ist.
Kardinal König beherrschte diplomatisches Feingefühl. Zwischen 1965 und 1980 reiste er vielfach in den europäischen Osten, nach Ungarn, Polen, Rumänien, in die DDR, Tschechoslowakei und nach Jugoslawien. Er organisierte auch im sogenannten Ostblock Dialogrunden zwischen Kirchenvertretern und atheistischen Intellektuellen. Bei den Besuchen in den Oststaaten war stets auch das Hauptziel, Bischöfe, Priester und Gläubige zu treffen, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie im Westen nicht vergessen sind.
Die Kontaktaufnahme mit der rumänischen Orthodoxie
1967 war es Kardinal König erstmals möglich nach Rumänien zu kommen und es war das erste Mal, dass die kommunistischen Behörden einem römisch-katholischen Bischof die Einreise erlaubten. Damit war Franz König der erste Kardinal, der eine orthodoxe Kirche in Osteuropa besuchte. Eine offizielle Kontaktaufnahme mit Rom war nicht möglich gewesen. Kardinal Augustin Bea, dem Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrates, war das Einreisevisum verweigert worden. Wegen der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien, die mit Rom in voller Einheit stand und während der kommunistischen Herrschaft in die Orthodoxe Kirche zwangseingegliedert worden war, waren die Beziehungen zum Vatikan prekär und alle Kontakte abgebrochen.
Die rumänische Orthodoxie ist aber nach dem Moskauer Patriarchat die zahlenmäßig größte orthodoxe Kirche byzantinischer Tradition und spielte auch eine gewisse Vermittlerrolle zwischen Konstantinopel und Moskau. Auf inoffizieller Ebene konnte Kardinal König das Eis der Beziehungen brechen. Patriarch Justinian empfing Kardinal König bereits am Flughafen in Bukarest.
Kardinal König ging positiv auf die rumänische Orthodoxie zu und schlug eine Austausch von Professoren des Orthodoxen Theologischen Instituts Bukarest mit der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät vor. Weiteres lud er sogleich zwei orthodoxe Stipendiaten nach Wien ein. Er erkannte bestens, dass Förderung des Nachwuchses, theologischer Austausch und Bildung wesentliche Faktoren für die Ökumene sind.
War Kardinal König der erste Kardinal, der eine osteuropäische orthodoxe Kirche besuchte, so war Justinian 1968 auf Einladung des Wiener Erzbischofs der erste orthodoxe Patriarch, der Österreich einen offiziellen Besuch abstattete. Bei seiner Rede zum Empfang im Erzbischöflichen Palais in Wien sagte Patriarch Justinian:
„Kardinal König und ich sind Initiatoren einiger Beziehungen und bilateraler Kontakte zwischen Orthodoxen und den römischen Katholiken, deren erstes Ziel die Förderung der Freundschaft zwischen unseren Kirchen und unseren Völkern ist, die Förderung des christlichen Ökumenismus und des Friedens in der ganzen Welt.“ (vi)
Wechselseitiges Predigen beim jeweils anderen Gottesdienst war damals noch keineswegs üblich. Der Patriarch war deshalb tief bewegt, als Kardinal König ihn einlud, im Wiener Stephansdom die Predigt zu halten und dies noch dazu am Festtag der heiligen Apostel Peter und Paul, der der traditionelle Tag der katholischen Priesterweihe ist. So hörten die Wiener Weihekandidaten des Jahres 1968 zwei Predigten, eine katholische Kardinal Königs und eine orthodoxe Patriarch Justinians.
Der freundliche Aufenthalt in Wien war eingebettet in die Eröffnung einer von PRO ORIENTE organisierten Ausstellung „Ikonen und Kultgeräte aus Rumäniens Kirchen und Klöstern“. Es gehört zur Förderung des wechselseitigen Verständnisses wesentlich dazu, nicht nur einen intellektuelle Austausch auf theologischer Ebene zu haben, sondern die andere Kirche auch in ihren spirituellen Schätzen, ihrer Kultur und Tradition kennenzulernen. Dieser Ansatz von PRO ORIENTE, der sich bereits beim ersten Besuch eines orthodoxen Oberhauptes in Wien zeigte, wurde von den Ostkirchen immer besonders gewürdigt, zeigt er doch Interesse und Wertschätzung.
Die Begegnung Kardinal Königs mit Patriarch Justinian in Bukarest und Wien brachte schließlich für Rom eine Öffnung hin zur rumänischen Orthodoxie, die zuvor nicht möglich war und in der Folge zu weiteren orthodoxen Kirchen hinter dem Eisernen Vorhang.
Die von Rom unabhängige Arbeit Kardinal Königs und seiner Stiftung PRO ORIENTE hat einen wesentlichen Beitrag hat so zur Verbesserung der Beziehung geleistet.
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(1) Zit. Nach D. Neuhold, Franz Kardinal König – Religion und Freiheit 64fn
(i) Ebd. 66f.
(ii) König, Ökumenische Beziehungen 520.
(iii) Vgl. dazu Bd. 2 der Kardinal-König-Bibliothek: Gmainer-Pranzl, Christus du die Religionen der Erde.
(iv) König, Ökumenische Beziehungen 521.
(v) Kardinal-König-Archiv, Manuskript (14. Mai 2000), zit. nach Fenzl, Kardinal König und der europäische Osten 27f.
(2) Vgl. dazu Cerny-Werner, Ostpolitik, 73-75.
(3) Ebd. 75.
(4) König, Haus auf festem Grund, 68.
(vi) Patriarch Justinian, Worte anläßlich des Abendessens im Erzbischöflichen Palais am 20. Juni 1968, 57.